Knapp 250 Besucher waren in die Ansbacher Synagoge gekommen, um an der Gedenkfeier zur Reichspogromnacht teilzunehmen. Die Stadt Ansbach hatte zusammen mit den katholischen Pfarrgemeinden und den evangelischen Kirchengemeinden sowie dem Ansbacher Frankenbund die Gedenkstunde veranstaltet. Im Mittelpunkt stand eine Ansprache des Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe, Dr. Ludwig Spaenle.
Neben der Rückschau auf die Ereignisse in der sogenannten „Reichspogromnacht“ 1938, in der auch die Ansbacher Synagoge geschändet wurde, richteten die Vertreter der Kirchen, Oberbürgermeister Thomas Deffner und Ludwig Spaenle den Blick auf die Geschehnisse in Israel und den Terrorüberfall der Hamas.
Der katholische Dekan Harald Sassik begrüßte die Besucher der Gedenkstunde und mahnte dazu, die Gräueltaten der NS-Diktatur und die blinde Zerstörungswut gegen alles Jüdische in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 nicht zu vergessen. Die Erinnerung steht am Beginn der Versöhnung, so der Geistliche.
Ansbachs Oberbürgermeister Thomas Deffner verurteilte die Taten der Hamas-Terroristen, deren Ziel „die Vernichtung Israels“ sei. Er brachte die Verbrechen während der NS-Diktatur mit dem Gewaltexzess der Hamas-Milizen in Verbindung und rief dazu auf, alles dafür zu tun, dass Juden sicher in Deutschland leben können. So seien die Angriffe auf Israel „ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, ein Rechtsverstoß, der aus den Nürnberger Prozessen hervorging. Die Tatsache, dass diese Schreckenstaten auf deutschen Straßen bejubelt werden, sei erschütternd. Er verurteilte jede Sympathie, die dem Hamas-Terror zu Teil werde. Mehr denn je müsse „klare Kante gegen Antisemitismus“ gezeigt werden. „Die Versprechen an die Jüdinnen und Juden dürfen kein Füllmaterial für Sonntagsreden bleiben“, sagte der Oberbürgermeister. Es sei der Bevölkerung Palästinas zu wünschen, dass sie sich von der Hamas abwende, erklärte er.
Ebenso klare Worte fand auch Dr. Ludwig Spaenle, der den Theologen Dieterich Bonhoeffer mit den Worten zitierte „Nur wer für die Juden schreit, darf gregorianisch singen“. Er dankte den zahlreichen Ansbachern, dass sie „hier und heute Gesicht zeigen“, und er betonte, wie dramatisch die Lage sei. „Antisemitismus war nie weg“, stellte Spaenle fest und erinnerte an die Ausgrenzungen der Juden in der jungen Bundesrepublik. Schon kurz nach Kriegsende gab es Ende der 1940er-Jahre zahlreiche Schändungen jüdischer Friedhöfe. Auch der jüdische Friedhof in Ansbach wurde Anfang April 1948 geschändet. Weitere Schändungen fanden im September 1948 und am 1. April 1950 statt. Spaenle erinnerte an andere antisemitische Vorfälle in den Jahren nach der Gründung der Bundesrepublik.
Mit Blick auf die Situation im Nahen Osten nach dem Hamas-Überfall am 7. Oktober ginge es um „ein großes Ganzes“, so Spaenle, und der Zeitpunkt sei keineswegs zufällig gewählt. Er erinnerte an die Abraham-Abkommen vom September 2020, in denen sich die arabischen Staaten des Nahen Osten und Israel unter der Vermittlung des damaligen US-Präsidenten Donald Trump auf eine Normalisierung der Beziehungen geeinigt hatten.
Ludwig Spaenle beklagte, dass es ein „dröhnendes Schweigen“ in Deutschland gebe. Mit dem Besuch der Gedenkstunde setzten die Anwesenden, so Spaenle, ein Zeichen, dieses zu beenden. Es sei sehr wichtig, für die Juden zu schreien, so wie es Bonhoeffer ausgedrückt hatte. „Für die Juden schreit niemand“, beklagte der Antisemitismusbeauftragte. Es müsse klar verurteilt werden, wenn Menschen die Massaker der Hamas feierten und damit ihre Freiheitsrechte missbrauchten. Es sei aber selbstverständlich, zu erlauben und zu dulden, wenn Menschen in Deutschland die zivilen Opfer in Gaza betrauern und Mitleid aussprechen.
Der evangelische Dekan Ansbachs, Dr. Matthias Büttner, beschloss die Gedenkstunde und beklagte, dass die muslimischen Verbände in Deutschland sich nicht klar und deutlich von den Gräueltaten der Hamas distanzierten. Mit Blick auf die Geschichte und die besondere Verantwortung Deutschlands, so Dr. Büttner, dürfe es in Deutschland keine antisemitischen Veranstaltungen geben. Die Muslime sollten sich von Terroristen klar und deutlich distanzieren.
Zum Abschluss der Veranstaltung legten Oberbürgermeister Thomas Deffner und der Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle einen Kranz für die Opfer der Reichspogromnacht und der NS-Diktatur im Vorraum der Synagoge nieder. Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkfeier von der Fachschaft Musik des Ansbacher Theresien-Gymnasiums.
Alle Fotos und Text: Alexander Biernoth
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